Jörn, der neue Mitsegler ist da. Bevor es seglerisch losgehen soll ist noch ein Tagesausflug nach Santiago de Cuba geplant. 3h soll der Bus von Holguin brauchen. Aber es zieht sich. Es gilt die kubanische Art der Zeitmessung. Schon mit Verspätung geht es los. Ursache unklar. Der Fahrer raucht erst einmal in Ruhe seine Zigarette zu Ende. Die Schlaglöcher in den Straßen müssen entweder in angemessenem Tempo um- oder im Schritttempo durchfahren werden.
In einem kleinen Ort dann eine Vollbremsung. Wir halten direkt neben einer Bude vor deren geöffneter Klappe das Frischfleisch aushängt. Beide Fahrer steigen aus und machen wohl eine Bestellung klar, bevor es weitergeht. Die Fahrt führt durch eine von Landwirtschaft geprägte Gegend. Teilweise Zuckerrohr bis zum Horizont. Ein bisschen Tabak, etwas Bananen. Die Campesinos wohnen in Häuseransammlungen zwischen den Feldern, entlang der Straße. Zu sehen sind wenige Steinhäuser.Es sind meist Holzbaracken und einige Strohhütten. Fahrräder, sowie Pferde- und einige Ochsenkarren sind das vorherrschende Transportmittel.
Das Bild ändert sich in den zwei größeren Orten, in denen der Bus einen Halt einlegt. Über dem eiserenen Zufahrtstor gestikuliert ein Mann mit einem Backblech in der Hand und preist seine belegten Brötchen an. Die wohlgenährte deutsche Dame aus dem hinteren Teil des Busses kämpft sich durch den Gang und kauft für ein paar CUC gleich das ganze Restblech auf. Mit sechs Burgern in den Händen entert sie wieder den Bus. Ihr schmaler Mann kann es vertragen.
Beton ist das Baumaterial der Wahl für die Stadtgestaltung. Straßenlaternen, Stadtmöbel, wie Bänke und Blumenkübel, sowie Brunnen und Skulpturen, die Ausstattung der Spielplätze, bis hin zu den Kreuzen auf den Friedhöfen, alles aus Beton. Rund um die Busstationen und an den Ausfahrtstraßen der Orte stehen jede Menge Leute am Straßenrand und hoffen auf eine Mitfahrgelegenheit. Einige winken mit Geldscheinen in der Hand, um den Busfahrer zu bewegen, sie außerplanmäßig mitzunehmen.
Santiago selbst war etwas enttäuschend. Wahrscheinlich war unsere bemessene Zeit zu knapp, um das UNESCO Weltkulturerbe mehr zu entdecken und zu würdigen. So blieb nur der zentrale Platz an der Kathedrale.
Auf der Rücktour herrschte in den Orten schon Feierabendstimmung. Man saß vor den Häusern und Hütten, in den Orten auf den zentralen Plätzen. Unser Taxi wartete, trotz über einer Stunde Verspätung am Busbahnhof. Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen und es bewahrheitete sich die Empfehlung, als Tourist nachts nicht selbst Auto zu fahren. Zu viele Schlaglöcher, zahlreiche unbeleuchtete Radfahrer und Pferdekutschen. Alles nicht angeschnallt, weil Gurte nicht vorhanden. Dafür röhrte und nagelte die Maschine ordentlich. Da war wohl in das US Modell inzwischen ein russischer Trecker Diesel verbaut worden.
Am nächsten Tag, Abschiedsrunde mit Jane durch das kleine Vorratslager und die Restaurantküche. Ein bisschen Käse, etwas Brot, sechs Hühnerbeine, reichlich Getränke und eine Flasche Rum gehen an Bord. Fast vergessen, einige Karten für den Internetzugang, falls einer vorhanden ist. Mit der besorgten Nachfrage, ob wir denn auch den Wetterbericht gesehen hätten, werden wir verabschiedet. Noch nicht ganz, da der junge Hafenmeister uns als letztes die Papiere für die nächsten Häfen überreicht. Es bläst, wie vorhergesagt, mit 5 bis 6 Bft. aus E. So geht es, nur unter der vollen Genua, flott voran, Richtung W. Am Folgetag hatten wir dann 7 Bft. und eine gute Atlantikwelle. Viel schneller als erwartet waren 70 sm zurückgelegt und der Anker viel vor der kleinen Militärinsel Caya Cofites. Da es in der Nacht durchgeblasen hatte, wurde einstimmig ein Ruhetag beschlossen. Bademannschaft unter militärischer Aufsicht.
Mit etwas moderaten Windverhältnissen ging es weiter die Nordküste Cubas entlang, von Ankerbucht zu Ankerbucht. Mal mit, mal ohne einen Fisch an der Angel. Der Mai-Mai landete in der Pfanne, die Barracudas wieder im Wasser. Bevor mit Varadero die Bademöglichkeiten vom Schiff vorbei sind, noch einmal einen Ruhetag in der Bahia Cadiz. Dem
ankerndem Schiff nährt sich aus der Ferne ein Ruderboot. Wieder die Grenzpolizei? Weiß der Himmel, wo die aus dem Mangrovenufer hergekommen sind. Während wir noch darüber rätseln, ob es sich bei der Kopfbedeckung des Einen tatsächlich um eine amtliche Mütze handelt, sind die Beiden soweit heran, dass man zwei Fischer erkennt. Die Arme des Ruderers machen propellerartige Kreisbewegungen, sodass immer nur ein Ruderblatt eintaucht und Vortrieb liefert. Geht auch, erscheint mir aber wenig effektiv, da nur die Arme arbeiten und Rücken und Beine gar nicht eingesetzt werden. Der typische Blick eines Europäers, auf Leistung getrimmt. Langsam sind sie bei uns angekommen. Das Ruderboot ist mehr als schlicht. Die Kleidung der beiden auch. Umso mehr sticht daher die dicke Goldkette des Jüngeren ins Auge. Sie wollten sich mit und das Schiff im Allgemeinen fotografieren. Die Selfis klickten auf die Handys. Als wir noch ein Bier ausgeben, musste das auch noch mit aufs Foto. Ich frage noch so naiv, was denn da so plötzlich hinter unserem Boot treibt. Das Leergut! Die Fischer hatten ihre leeren Dosen einfach ins Meer entsorgt. Es lebe die große „blaue Tonne“. Frischfisch hatten sie allerdings nicht an Bord. Den genossen an diesem Abend wir.
Mit frischem Wind legten wir die Meilen des letzten Törnabschnittes zurück und überquerten abschließend die Bucht von Havanna. Bevor der Törn in der Marina Hemingway endgültig beendet werden konnte, musste wieder der Zollanleger passiert werden. Die Station scheint wohl das Ausbildungszentrum der kubanischen Zollbehörde zu sein. Es waren nur junge Damen und Herren zu sehen und im Einsatz. Die grau-blauen und grünen Uniformen wurden sehr locker getragen. Den sehr knappen Miniröcken der Damen versuchten die Herren mit offenen Hemden und leicht hoch gestelltem Kragen Paroli zu bieten. Das Frau sich bei der Menge der Vordrucke schon einmal verschreiben kann, liegt auf der Hand. Sie schickte ihren jungen Kollegen los, um Ersatz aus dem Büro zu holen. Das zog sich. Entschuldigende Blicke, bis er wieder erschien. Alles noch einmal ausfüllen. Leider wieder verschrieben. Im Bewusstsein, das es schon zu dämmern begann und sie ihn nicht noch einmal zeitraubend losschicken wollte, wurde verbessert und übergeschrieben. Alles war fertig und das Schiff auch durchsucht. Eigentlich konnten wir in die Marina ablegen. Sie ging von Bord, beschied uns aber noch zu warten. Kurz darauf kam sie aus dem Büro wieder. Sie hatte jetzt einen weiteren Vordruck selbst geholt und ließ ihn sich von mir blanco unterschreiben. Die überschriebene Version wollte sie wohl als Ausbildungsnachweis so nicht abgeben. Ich bin mir sicher, dass sie die Daten, jetzt am Schreibtisch, sauber nachtrug. Eben eine Ausbildungsstation.
Mit dem letzten Licht war der Weg frei in die Marina.