Auf dem schon bekannten Weg, mit dem Bus aus der Marina, zur Umsteigestation des Stadtrundfahrtbusses, geht es nach Havanna. Mit der Erfahrung des letzten Jahres sind wir jetzt die Stadtführer. Über den Platz der Revolution; erster Stopp „Hotel National“. Im Garten einen cubanischen Kaffee, da die Frischmilch für einen Latte oder Cortado selbst hier gerade mal wieder aus ist.

 

Der Blick geht über die Bucht von Havanna, den Malecon entlang bis zur alten Festung der Spanier, dem Eingang zum eigentlichen Hafen von Havanna. Hop on den Stadtrundfahrtbus und den Malecon abgefahren. Am Parque Central beginnt die Wanderung durch Havannas Altstadt. Auf den Haupttrampelpfaden wimmelt es vor Touristen. Ich versuche etwas abseits zu steuern. Wir stellen uns in die Schlange der Kubaner vor der Burgerbraterei und dem Chorros Bäcker. Hier wird in Peso National und nicht in CUC, der Währung für die Touristen, bezahlt. Kurs CUC:Peso 1:25! Der CUC wird über den US Dollar am Geldautomat abgerechnet. Macht z.Zt.ein CUC gleich 0,84 Eurocent. Die Burger werden, auf den Euro heruntergerechnet, fast verschenkt.

In der Altstadt gibt es wieder jede Menge Bilder und Eindrücke des morbiden Charmes. Ein bewohntes Museum. Inzwischen noch mehr kleine Eigeninitiativen. In schmalen Räumlichkeiten existieren mit viel Kreativität eingerichtete Bars und Restaurants. Tische und Sitzgelegenheiten aus Paletten und Bauholz. Die Treppe noch oben aus Doppel-T Trägern und mit Armierungsstahl ein Geländer angeschweißt. Der Mojito schmeckt. Das Englisch holpert noch ein bisschen, but „the tip is not included“ kommt flüssig. Mit drei CUC ist man dabei. Zur Happy Hour ist es nur einer.

Ein paar Schritte weiter stehen ein paar Bilder vor einer schmalen Tür. Dahinter ein kleiner Raum. Atelier, Galerie und Verkauf in einem. Der Meister ist anwesend, spricht Englisch und ist auch politisch. Neben Kitsch für die Kreuzfahrer auch ein symbolträchtiges Motiv. Ein gestrandeter Hochseedampfer steht auf schmalem Kiel hoch und trocken. Links und rechts hängen die Anker außenbords. Das Deck ist überquellend beladen mit dem Häusermeer Havannas. Cubas Schiff ist gestrandet. Noch steht es auf schmalem Grat aufrecht. Die Anker sind jedoch ohne Funktion, da das Wasser fehlt. Es ist absehbar, dass dieses Gleichgewicht nicht lange bestehen kann. Frage, wohin kippt alles. Nach links oder nach rechts? Ich frage nach, da ich gehört habe, dass in diesem Jahr Raul Castro als Präsident zurücktreten wird. Er berichtet, dass die Bürger davon auch gehört hätten, jedoch ohne Einfluss auf eine Nachfolge sind. Noch nicht einmal irgendwelche potentiellen Kandidaten sind bekannt. Ob es der aktuelle Stellvertreter wird ist auch unklar. Das wird alles in der Führung der PCC, der kommunistischen Partei Cubas, entschieden und dann verkündet. Kann schon Morgen soweit sein. Das Bild wird jedenfalls gekauft.

Wieder auf der Straße geht es zur Kathedrale. Einige Plätze in der Altstadt fungieren wohl als Leuchtturmprojekte in der Sanierung. Fassaden und Häuser sind dort durchrenoviert. Daneben wird noch in Bruchbuden und Höfen gewohnt. Ich denke nach wie vor, dass der Finanzbedarf, um den Sanierungsbedarf breiter anzugehen, ob der Größenordnung, allein in Havanna, von der öffentlichen Hand kaum zu stemmen ist. Gleichzeitig bedeutet mehr Fremdkapital auch den möglichen Ausverkauf. Zu besichtigen in den sanierten Hotelbauten am Parque Central, wo sich Gucci und Co. in der Ladenzeile etabliert haben. Ein zweischneidiges Schwert. Havanna bezieht ja seine touristische Attraktivität z.Zt. eben aus dem morbiden Charme. Ist alles durchrenoviert ändert sich das Image und man verliert ein Alleinstellungmerkmal. Der Gedanke kam auch im Anblick der weiter gebauten Hotelkomplexe an den Sandstränden der Küste. Irgendwann ist das Bild der Costa Brava erreicht und spätestens dann wird Cuba als Touristenziel aus Europa beliebig.

Noch kehrt man jedoch mit jeder Menge Eindrücke zurück aufs Schiff und genießt die relative Ruhe der Marina.

Pünktlich, schon vor acht, steht unser Guide für die Tour nach Vinales mit seinem Wagen am Schiff.  „Ich weiß, dass die Deutschen die Pünktlichkeit schätzen. Er mag das und war daher schon etwas früher da“, so stellt sich Ibrahim, unser Fahrer vor. Ein schon etwas älterer Herr im korrekten Anzug mit grauer Krawatte. Wie wir erfahren, stammte sein Urgroßvater aus dem Libanon und landete wegen der Liebe in Cuba. Das knallgelbe Taxi ist ein nagelneuer Lada. Den staatlichen Wagen hat er gerade als Fahrer übernommen. Privat kann man kein Auto nach Cuba importieren. Entweder vom Staat oder alte Fahrzeuge von Privat kaufen. Er selbst hat noch einen amerikanischen Wagen von seinem Urgroßvater im Originalzustand. Einen Schatz, den er nicht weggeben wird. Englisch, das er gut spricht, hat er sich selbst beigebracht. Acht Monate lang jeden Tag Vokabeln gelernt. Sich dazu die Aussprache gesucht und gepaukt, bis er sich getraut hat, die ersten Sätze öffentlich zu sagen. Respekt!

Unser erster Halt ist die Finca Montesino. Eine Tabakmanufaktur mit kleinem Bauernhof zur Selbstversorgung. Wir fahren auf den Hof und sind die ersten Besucher heute. Der Patron sitzt im Stuhl, mit dem Rücken zum Haus und beobachtet wer kommt und geht. Wir werden dem 92-zig jährigem vorgestellt und machen artig unsere Aufwartung. Unser Guide ist auch hier der Bärenführer. Hühner und Gänse laufen umher. Uns wird jede Nutz- und Zierpflanze auf dem Hof erklärt. Ibrahim war, bevor er zum besseren Unterhalt der Familie vor 21 Jahren Touristenführer wurde, mit Begeisterung Lehrer. Die mussten regelmäßig mit ihren Schülern in die Produktion aufs Land. Er kennt sich daher bestens in der Landwirtschaft aus. Er berichtet, dass vor allem Schutz der Kühe auf Kuba einen hohen Stellenwert hat. Unter Androhung von 20 Jahren Gefängnis ist es verboten privat eine Kuh zu schlachten. Sie werden ausschließlich als Milchvieh gehalten, um die Milch- und Käseversorgung der Bevölkerung aufrecht zu halten. Jede Kuh ist staatliches Eigentum.

Der Hof selbst ist umgeben von Tabakfeldern, die nach dem Drei-Felder-Prinzip bewirtschaftet werden. Die junge Tabakpflanze wächst in 49 Wochen ca. 1,50 Meter hoch. Aus der Blüte machen die Kubaner ein Herrenparfüm. Zuerst werden die Blätter des unteren Drittels der Pflanze geerntet. Sie haben am wenigsten Sonne bekommen und werden zum Deckblatt der Zigarre. Anschließend sind die mittleren Blätter dran. Sie werden zur Füllung der Zigarre gerollt. Diese beiden Blattsorten werden getrennt getrocknet.

Die Trockenhäuser können aus Holz sein oder, traditionell, das Trockengestell, gedeckt mit Palmenblättern. Diese Häuser sind jedoch anfälliger auf Sturmschäden und gefährdeter durch Brand. Dann wäre die gesamte Ernte verloren. Aus dem oberen Blattdrittel der Pflanze, dem mit der meisten Sonne, werden Zigaretten gemacht. Diese Blätter werden gleich auf dem Acker mittels Gestellen in der Sonne getrocknet.

In den Trockenhäusern riecht es, wie in deutschen Heuschobern, nach der Ernte. Keine Spur von Tabakgeruch. Die Tabakpflanze selbst liebt Sandboden und braucht nicht allzu viel Wasser.

Der Juniorchef zeigt uns die Herstellung einer Zigarre. Blätter des Mittelschnitts werden lose in einander gelegt und gerollt. Die Rolle kommt für Stunden in eine Presse. Die entstehende feste Rolle wird an den Enden mit kleinen Kugeln aus einem Blüten Extrakt verschlossen. Das ist wohl mit das teuerste am verwendetem Rohstoff. Unser Führer behandelt das Granulat jedenfalls wie Goldstaub. Anschließend wird das gute Deckblatt um die Zigarre gerollt und mit einem natürlichen Kleber fixiert. Ob die entstehende Zigarre nun spitz oder stumpf zugerollt wird oder die Blattenden glatt abgeschnitten werden, hängt von der Qualität des Tabaks und damit vom typischen Stil der entstehenden Zigarre ab. Die teuerste und beste Qualität „Cohiba“ ist am Mundstück stumpf und an der Feuerseite glatt.

Natürlich gab es auch eine Zigarre zum anpaffen. Würzig intensive, aber nicht schlecht. Den Geschmack nach Tabak hatte ich noch nach Stunden in den Schleimhäuten. Ging auch gleich in den Kreislauf. Ein bisschen aufgedreht. Die beste Stimmung, um auch ein paar zu kaufen. Drei Prozent der Produktion darf der Tabakbauer selbst behalten und verkaufen. Auch die Qualität „Cohiba“, allerdings nicht mit der internationalen Banderole. Dafür eingerollt in einen kubanischen Zeitungsausriss. Das war hier so ein bisschen, wie früher bei der Weinlese an der Mosel. Alle Weine zum Selbstverbrauch ohne Etikett. Der Winzer kennt Lage und Jahrgang, auch ohne Schild. Ohne Banderole sind sie aber auch um einiges günstiger, als in den staatlichen Verkaufsstellen. Dazu gab es noch einen Kaffee. Perfekt!

Die Landschaft um Vinales ist UNESCO Weltkulturerbe. Eine Hochebene, die früher Meeresgrund war. Die in der Gegend sitzenden Berge sind eigentlich ehemalige Korallenhaufen. Das Korallengestein ist von Höhlen durchzogen. Die sind zum Teil zu begehen, sogar mit einem Boot zu durchfahren. Fidel und Che habe in dieser Gegend „persönlich“ Räuberbanden, die im Dienst des CIA standen bekämpft. Indem sie lokale Milizen aus Ortsansässigen gründeten und bewaffneten, die hier jeden Stein und jede Höhle kannten, konnten sie siegen. Che hat dann beschlossen das Gebiet zum Urlaubsgebiet der Cubaner zu entwickeln. Als Anreiz dafür entstand die große Felsmalerei der Entstehung der Menschheit und der erste Campingplatz wurde hier eingerichtet. Die Höhlen sind unser nächstes Ziel. Wir durchfahren den Ort Vinales. Offene Restaurants und jede Menge Unterkunftsangebote links und rechts der Straßen. Das touristische Publikum kann man mit gesetzt, alternativ umschreiben. Nicht ganz wie der rüstige deutsche Rentner als Großwildjäger im Kaki Look, internationaler, aber so in die Richtung. Ein paar Freaks ergänzen das Bild. Die Höhlen sind mehr als mannshoch und zum touristischen Hotspot ausgebaut. Die eine mit der Legende als Zufluchtsort für entsprungene Sklaven der Spanier gedient zu haben, die andere als letzte Zufluchtsstätte der lokalen Indianer. In der eine überrascht eine dreier Theatergruppe den interessierten Reisenden mit einer einminütigen Trommel-Tanz-Vorführung, incl. brennender Fackel auf Kurzhaarfrisur und Ersticken der Flammen am Gemächt. Ein Gauklertrick; ohne Sauerstoff, keine Flamme. Trotzdem konnte ich der Aufforderung, es gleich zu tun konnte, widerstehen. Dann kreist der Klingelbeutel, da schon die nächste Besuchergruppe naht. Glücklicherweise hatte die Indianertruppe, wegen Burn-Out, ihren freien Tag.

Zurück im Taxi fiel das Stichwort Cerdo BBQ. Ibrahim griff das auf und wir landeten in einem familiengeführten, strohgedeckten Restaurant, neben dem die BBQ Trommeln aus alten Ölfässern schon rauchten. Huhn und Schwein war im Angebot; mit Salat, schwarzen Bohnen, Yams und Reis. Sehr lecker und üppig. Gelegenheit unseren Guide als Betroffenen zum Leben und dem Tourismus auf Cuba im speziellen zu befragen. Nach seiner Auskunft hat Cuba drei gravierende Probleme:

1. Das öffentliche Transportsystem. Zu wenig Busse, zu wenig Verbindungen. Die Primärschulen sind daher auf dem Land in max. 5km Abstand gebaut, damit die Schüler sie täglich, es herrscht Schulpflicht bis 18 Jahre, zu Fuß erreichen können. Wenn man von A nach B will, kann das heute klappen oder aber auch nicht.

2. Zu geringe Löhne. Die Besoldung in den meisten Berufen reicht nicht aus, um seine Familie „vernünftig“ zu unterhalten. Sein Grund vom Lehrerberuf in den Tourismus zu wechseln. Polizisten verdienen am meisten. Intellektuelle, Berufe, wie Ärzte oder Lehrer nicht mehr, als andere. Ein Studium lohnt sich aus finanzieller Sicht nicht. Sein staatliches Renteneinkommen sei so gering, dass er für den Familienunterhalt weiterarbeiten müsse.

3. Die Wohnungssituation. Junge Paare müssen bei der Familie wohnen, da es an ausreichendem Wohnraum mangelt. Man lebt in kleinen Häusern zu acht, zu zehnt, mit einem Wohnraum, zwei Schlafzimmern und einem Bad. Da ist Stress vorprogrammiert. In Havanna wird geschaut, ob ein Haus noch zu sanieren ist oder nicht. Bei Sanierung werden die vorhandenen Mieter in Neubaugebiete, meist an Peripherie, umgesetzt. Sie kehren danach nicht zurück. Sonst wird abgerissen. Besonders die alten Häuser am Malecon sind der Salzwassergischt des Meeres besonders ausgesetzt und vielfach nicht zu retten, da die Mittel fehlen.

Sein Traum wäre ein Kleinbus für acht bis zehn Personen. Den würde er gern privat betreiben, um damit Touristen Cuba zu zeigen. „Das wird sich wohl für mich nicht mehr erfüllen. Träume bleiben eben Träume.“

Im Übrigen hätte auch er gehört, dass es einen Nachfolger für Raul Castro geben soll. Mehr weiß er aber auch nicht.

Auf dem Rückweg nach Havanna fielen die vielen Brückenfragmente, die den „Highway“ ohne Straßenanschlüsse überwanden, auf. Seit die Sowjetunion nicht mehr existiert, geht der Straßenbau nicht mehr weiter. Die Brücken stehen aber nicht so ganz nutzlos herum. Sie dienen als schattenspendende Unterstände für die Vielen, die auf eine Mitfahrgelegenheit oder den regionalen Bus warten. Auch bei Regen hilfreich. So kreuzen aber weiterhin die lokalen Wege und Straßen die „Autopista“. Das wiederum führt, zumindest für den deutschen Autofahrer, zu, für eine „Autobahn“, außergewöhnlichen Begegnungen. Damit sind nicht die Fußgänger, Radfahrer und Reiter am Rand oder die querenden Passanten und Fahrzeuge gemeint. Ich denke an die ab und an entgegen der Fahrtrichtung kommenden Pferdekutschen. Zumindest gibt es nachts ein LKW Fahrverbot. Wahrscheinlich, weil die auch kein Licht haben, nur größer sind, wie alle anderen, die sonst noch unterwegs sind.

Auf dem Heimweg hält Ibrahim an einer Raststätte, die mich etwas an die Mitropa auf den Transitstrecken erinnert. Er kommt jedoch mit einem Becher kubanischem Eis und Espresso zurück und reicht das auf die Rückbank. Er wolle sich damit für die Einladung zum Essen bedanken. Der Kaffee ist stark und das Eis lecker. Vielen Dank! 

Zum Abschluss fährt er uns in einen Stadtteil dicht an der Marina. Die Bushaltestelle davor ist uns schon aufgefallen. Im Stil Gaudis skurril geformt und mit vielen bunten Fliesen belegt. In Barcelona sind es einzelne Häuser. Hier ist ein kleiner Stadtteil in diesem Stil ausgestaltet. „Homenaje a Gaudi“. Der kubanische Künstler hier hat mit zusammengesuchter Keramik angefangen Häuser und Zäune zu gestalten. Fidel, dessen Wohnhaus auf der anderen Straßenseite hinter einer Schule liegt, fiel das eines Tages auf. Er besuchte das Viertel und gab Order, dass in Zukunft alle kubanische Keramik zur Verfügung steht. So wird das Viertel weiter gestaltet.

Herzlich fällt die Verabschiedung in der Marina aus. Mit der Bitte, sich an ihn zu erinnern, wenn wir oder Freunde mal wieder auf Cuba wären. Gern.