Es war eine schnelle Überfahrt durch die Nacht von Havanna nach Key West. Nach vor Tagesanbruch stehen wir in der Ansteuerung nach Key West. Diesmal so früh, dass wir nicht von Kreuzfahrern bedrängt werden, die die Rinne für sich beanspruchen. Der Ankerplatz gegenüber den teuren Marinas ist auch ohne Mühen anzusteuern. So fällt gegen Morgen der Anker auf 8 Meter und es geht mit dem Dinghi zum Einklarieren. „Der Rucksack bleibt draußen.“
So stehe ich allein vor dem Schalter und bekomme einen Telefonhörer in die Hand gedrückt. „Erst einmal unter 0800 …. anmelden.“ Lang und breit werde ich nach woher und wohin, der Besatzung und dem Schiff befragt. Zum Schluss gibt es eine ID Nummer, die ich an die Kollegen vor Ort weitergebe, um von dort den passenden Visastempel in den Pass zu bekommen. Cuba? Alles kein Problem. Auch das Crusing Permit wird kostenlos um ein Jahr verlängert. Es dauert nur alles. Als ich wieder vor dem Haus stehe, war Frau kurz vor einer Vermisstenmeldung. Nur, jetzt darf sie selbst die heiligen Hallen betreten. Die Abfertigung dauert nur 10 Minuten. Wahrscheinlich wegen meiner „intensiven“ Vorarbeit. Kochen an Bord fällt heute aus. Dafür lasse ich mich auf einen Burger ein. Montezumas Rache folgt auf dem Fuß. So betrete ich am Abend intensiv den kurzen Wanderweg zwischen Vorschiffskoje und Nasszelle.
In der Nacht kracht dann unser Ankernachbar hörbar gegen das Schiff. Was ist hier los? Ich drücke und schiebe ihn weg. Treiben er oder wir? Eigentlich haben wir unsere Position, im Verhältnissen zu den anderen Ankerliegern, nicht verändert. Recht dicht vor uns bleibt der Kollege liegen. Für mich zu dicht. So wollen wir noch in der Nacht unseren Anker verlegen. Denkste! Bei der letzten Fünf-Meter-Markierung streikt die Ankerwinsch. Die Kette steht stramm. Der Anker hat sich verklemmt und kommt nicht hoch. Ist heute Nacht nicht mehr zu lösen. Kette wieder raus und auf mehr Abstand zum Nachbarn. Nacht einer schlaflosen Nacht zwischen Koje und Klo, ist die Situation immer noch gleich. Unser Anker ist fest. Aber auch klar, warum es knallte. Der Nachbar ankert auf acht Meter mit Kettevorlauf und Ankerleine. Damit hat sein zehn Meter Boot einen Schwojekreis wie ein Schlachtschiff. Wir brauchen einen neuen Ankerplatz. Dafür muss der Anker raus. Von Bord war das, mit allen Tricks, nicht zu bewerkstelligen. Im Wasser wird klar, wir hängen hinter einer Kette. Wahrscheinlich die des Oldtimer Schoners, ca. 100 Meter vor uns. Der hat wohl reichlich draußen. Strom gegen Wind lassen nicht erkennen, wo sein Anker liegt. Bei fünf Meter Ankerlift geht bei uns nichts mehr. Alles fest. Abtauchen und die fremde Kette mit einer Leine abfangen. Dann unseren Anker ablassen. Der schwingt zum Glück von der fremden Kette frei und kann aufgeholt werden. Nachdem ich wieder an Bord bin, die Leinen an der Kette frei geben und wir können los.
Am neuen Ankerplatz nehme ich dann für die nächsten zwei Tage den Pendelverkehr zur Nasszelle wieder auf.
Der folgende Landausflug findet per Rad statt. Die Tourianlaufpunkte in Key West sind u.a., der südlichste Punkt der USA. Hier stehen die Touristen brav Schlange, um ein Selfie, ich und das Ende der USA, zu schießen. Der Start oder das Ende der Route No. 1, bis an die nördliche Grenze der USA. Das Hemingway House, mit 15$ ist man dabei. Für mich aber ein Laden, der mich mit meinen musikalischen Helden vereint, „Rock lives on Key West“. Der Laden verkauft Gitarren und Fotos der Rock- und Popgrößen dieser Welt, aufbereitet als Bilder mit den originalen Instrumenten. Die Stones, die Beatles, Eric Clapton, B.B.King, Steve Ray Vane und Bob Marley, bis zu Madonna und Michael Jackson. Preisordnung, eher für Totalfans oder als Geldanlage.
Aus allen offenen Kneipen dringt Musik auf die Duval Street. Denkt man sich mal die vielen Touristen aus Straßen und Kneipen weg, bleibt ein beträchtlicher Rest von scheinbar gestrandeten Mitmenschen. Aussteiger, Gitarrenspieler und Trommler, die versuchen auf den Bühnen und Ecken der Stadt irgendwie ein paar Dollar zu verdienen. Am Dinghi Anleger fallen sie besonders auf. Aus dem schwimmenden Untersatz mit dem sie anlanden, werden erst der Hund und dann die Musikinstrumente ausgeladen. Zum Schluss die Kanister für das Trinkwasser. Die könne hier, am einzigen Schlauch am Anleger, kostenlos wieder gefüllt werden. Die Schiffe selbst ankern, etwas abgerockt, weiter draußen vor den Marinas.
Inzwischen hat der Wind, mit dem Golfstrom, auf südliche bis westliche Richtung. Gedreht. Der Moment, um weiter nach Norden zu segeln. Offensichtlich habe ich ein Magen-Darm-Virus eingefangen und weitergegeben. Jedenfalls bricht mir Elke nachts mir akutem Durchfall und Kreislaufversagen zusammen. Ich raffe das im nächtlichen Segelduhn nicht gleich. Es geht, unter zunehmend frischem Wind, die 210 Seemeilen die Florida Keys entlang bis nach Lake Worth. Heftiges Wetterleuchten und ein paar Schauer begleiten uns durch die Nacht. Miami wird im morgendlich feuchten Dunst passiert. Am folgenden Nachmittag erreichen wir den Ankerplatz vor West Palm Beach. Alle brauchen eine verdiente Ruhepause.
Nach einem Tag Ruhe, nur ein bisschen Basteln wegen der täglichen guten Tat an Bord, sind alle wieder fit. Für unseren Ausflug nach Fort Lauderdale ist ein Leihwagen vorbestellt. Mit dem Dinghy geht es vorbei an, wohl im letzten Hurrikan, gestrandeten Schiffen. Wie wir hören, sind das die, die die Flucht nach Norden vor dem Hurrikan Irma nicht mehr geschafft haben. Da waren in Norden alle Marinas voll.
Aus den Regensachen, für die Fahrt im Schlaucher gegen die Wellen, pellen wir uns unter einer Straßenbrücke. Leider gibt es den Leihwagen von Alamo nicht, da wir keine amerikanischen Telefonnummer und auch keine amerikanische Adresse ansagen können. So seien die Vorschriften der Firma, wird festgestellt, nach dem über drei Instanzen nachgefragt wurde, „I have to ask the manager“, da niemand eine Entscheidung treffen wollte. Mein Verdacht war, dass der Leihwagen über Check24, für amerikanischen Verhältnisse mit 30 € viel zu billig angegeben war und keiner wirklich Interesse hatte, den Wagen für den Preis herauszugeben. Um die Ecke war National die nächste Autovermietung und wirklich hilfreich. Ebenso wie eine Kundin, die auf die Frage an uns, in welcher Marina wir lägen, ihr Handy zückte und dem jungen Mann am Tresen einfach eine Adresse zeigt. Wir hatten ein Auto, wenn auch doppelt so teuer.
Bei West Marine waren vier Tage „Extra Sale“ ausgerufen. Rabatte, Rabatte, Rabatte! Davor ging es jedoch zu „Sailorman“, dem maritimen Schrotthändler in Ft. Lauderdale. Festmacher, Genuareffleine und WD40 wandern zur Kasse. Preise wie bei SVB und damit deutlich günstiger, als sonst in den USA. Besonders aufgeräumt sind hier die Verkäufer. Als ich noch dabei bin die benötigte Meterzahl in foot umzurechnen, stellt der erste Verkäufer fest: „Oh, you are from a civilized country. You got the metric system.“ Als wir „Germany“ antworten, zückt der zweite sein Handy und ruft seine Frau an, eine Deutsche. „Die wird sich freuen, mal wieder Deutsch zu sprechen“ und schon hatten wir das Handy am Ohr. So war es dann auch. 20 Minuten nette Konservation. Bei West Marine war man da deutlich zugeknöpfter. „Extra Sale“ war nur auf ausgewählte Artikel angesagt. Blöderweise auch gerade auf die Handfunke, die ich vor ein paar Tagen bei West Marine in Key West gekauft hatte. Nicht ärgern, war gemessen an deutschen Preisen eh schon günstig. Für den Rest des Tages bricht dann endgültig der Shopping Wahn aus. In einem Outlet Center am Highway. Das kommt bei mir alle drei Jahre vor und ist damit im Ergebnis überschaubar. „Haben sie Hemden? Passt! Da nehme ich drei. Shorts auch? Okay, legen sie die dazu.“ Nicht übertrieben, weil Angebote im Outlet. Für mein Einkaufsverhalten aber quasi eine Orgie. Die Gummiente bringt uns wohlbehalten, aber erschöpft, wieder zurück auf's ankernde Boot.
Auf unserem Weg nach Norden nimmt die Küstenbebauung andere. Formen an, als in Miami oder Ft. Lauderdale. Keine Hochhäuser, sondern eher Villen am Strand. Macht einen das Klischee „Haus am Meer“ neidisch? Der Preis dafür ist, immer Sand und Salznebel in der Luft. Mit jedem Sturm feuchte Füße und die Wege zur Küstenregion führen nur über wenige Brücken. Muss man mögen. Im roten Dämmerlicht des Sonnenuntergangs am Ankerplatz in Ft. Pierce tauchen immer wieder die Rückenflossen von Delfinen auf. Pelikane streichen, wie das Flugboot Dornier „Wal“, nur knapp über die Wasseroberfläche, ohne sie je zu berühren. Kein Vergleich mit den Tieren in unseren Zoos. Wie die Ameisen ihren Bau, verlassen, mit der Morgendämmerung, hunderte von Angelbooten aller Größen, das Ft. Pierce Inlet auf den Atlantik. Die Flut strömt uns mit 2,5 Knoten entgegen. Lang sind die 220 Meilen nach Norden, nach Brunswick. Schildkröten, Delfine und Pelikane sind die Begleiter. In der Nacht macht Gott jede Menge Fotos. Heftige Gewitter krachen über das Wasser. Einige Blitze entladen sich auch ins Wasser. Mit der Hafenansteuerung ist das Barometer auf 998 Millibar gefallen und es weht mit 8 Bft.. Über Funk trage ich einen Disput mit dem Hafenmeister aus, der mich an einem Leesteg anlegen lassen will. Das ist bei dem Wind nicht zu kontrollieren. Wir einigen uns auf meinen Vorschlag. Rückwärts zwischen die Stege und dann mit dem Bug nach Luv angelegt. Das passt! Hafenkino für alle, die aus ihren Motorboten gucken, incl. Lob für das Manöver: „I thought, you know what you are doing. Good manoever going backwarts in.“ Das geht dem Seemann doch runter. Es kachelt zwei Tage und es wird steinkalt. In New York tobt der vierte Schneesturm in drei Wochen. Hier schneit es zwar nicht, ist aber, mit fünf Grad in der Nacht, für die Jahreszeit deutlich zu kalt. War gestern das „Wohnzimmer“ vor dem Raum mit den Waschmaschinen noch mit der Klimaanlage heruntergekühlt, so war es heute völlig überhitzt. USA, ein Land der Extreme.
Heute Morgen hing ich im Mast und habe die UKW- und WiFi Antenne, sowie das Dreifarbenlicht abgebaut, damit wir nicht wieder gegen eine Brücke fahren. So konnten wir die erste Brücke des ICW, wo im letzten Jahr noch die UKW Antenne am Beton kratzte, bei Hochwasser passieren. Wenn auch knapp. Leider spielte uns diesmal unser Tiefgang einen Streich. Ausgerechnet in einem ausgebaggerten Abschnitt saßen wir fest. Der Little Mud River hatte uns im Mud. Von den 3,80 Metern Solltiefe war bei 2,30 Metern nichts mehr zu erahnen. Umdrehen, zur Nacht ankern und mit der nächsten Flut hoffen, den Berg zu überwinden. Dafür ein Ankerplatz mit totaler Ruhe und Einsamkeit im perfekten rot des Sonnenuntergangs. Früh ging es weiter. Auch am Morgen, Idylle pur. Der Sonnenaufgang spiegelte sich im glatten Wasser.
Leider war die Tide nicht mit uns. Es war Ebbe. Im Hell Gate saßen wir wieder fest. Auch hier, die, vom United States Army Corps of Engineers, angestrebte Wassertiefe von 3,80 Meter bei Low Water, war deutlich unterschritten. Es war, selbst bei mehreren Anläufen, kein Durchkommen. Zum Glück spielten Wind und Wellen mit, sodass wir den Umweg aus dem Southern Canal in den Atlantik und im Northern Canal zurück, nehmen konnten. Zwei Stunden extra auf der Uhr, für eine Passage von sonst knapp einer Meile. Stimmung trotzdem gut, da sich die Wolken wieder verzogen hatten. Aber, trotz Sonne, sehr frisch. Ich trug jedenfalls, neben der Sonnenbrille, Handschuhe am Steuer. Ansonsten ist alles viel entspannter, als im Jahr zuvor. Man weiß, dass die nächsten Brücken bei dem Tidestand passen, fährt die mäanderten Passagen aus und weiß ebenfalls, wir stehen wirklich erst bei 2,30 Meter auf dem Echolot im Schlick. Mit unserem Zwangsankerplatz am Little Mud River passten die geplanten zwei Tage Stopp in der Island of Hope Marine nicht mehr. Trotzdem hatte man uns erwartet und der Liegeplatz war klar, incl. des „Courtesy’s Cars, umsonst und zur Nutzung durch Gäste der Marina. Einkauf mit dem Auto, die Sonne schien, die Weißkopfseeadler flogen, die Dusche war warm, alles perfekt. Auffallend beim Einkauf in Walmart, der hier sehr hohe Anteil der schwarzen Bevölkerung, sowohl als Kunden, als auch als Angestellte. Das steht im krassen Gegensatz zu der Beobachtung, dass uns bisher nur, bis auf zwei Ausnahmen, ausschließlich Weiße auf Booten begegnet sind.
Kalt war’s und nass auf dem weiteren Weg nach Charleston. An einigen Einmündungen des ICW in Flussläufe fräste der Kiel eine neue Rinne durch den Mud, bevor das Echolot wieder auf 4 Meter sprang. Zwei Ankerplätze später war Charlestons City Marina erreicht. Hier hatten sich wohl schon länger einige Snow Birds über den Winter häuslich eingerichtet. Der Stegnachbar hatte jedenfalls, mit Frau, Hund und Golfausrüstung, auch seinen Kräuter- und Blumengarten auf dem Steg platziert.
Unsere Pause, für den Ausflug nach New Orleans.