Zurück in Eastport, USA, suchte ich hier wieder das Büro der Home and Border Protection auf, um einzuklarieren. Das Schild in der Tür verkündete Öffnungszeiten von Dienstag bis Samstag. Heute ist Dienstag und trotzdem geschlossen. Unter der ausgehängten Telefonnummer meldete sich nur der Anrufbeantworter. Nach den gemachten Erfahrungen wollte ich nicht unverrichteter Dinge wieder abziehen. Im Erdgeschoss des Zollhauses ist das Büro der Touristeninformation.

In einem winzigen Büro saß eine ältere, ziemlich korpulente Frau hinter einem Schreibtisch. Vor ihr eine ganze Batterie von Buntstiften. Auf dem Tisch ein Ausmalheft, mit dem sie innig beschäftigt war. Sie sei hier nur ein Volunteer und kenne sich auch nicht aus. Sie werde aber einmal herumtelefonieren. Hafenmeister, Polizei und Zollzentrale wurden kontaktiert und mein Problem geschildert. Zwischendurch wunderte sie sich, dass die USA offiziell an den Grenzen eine harte Politik machen, es hier oben, auf dem Land, aber sehr locker zuginge. Sie brachte jedenfalls heraus, dass die beiden Beamten gerade auf dem nahen Flughafen ein Sportflugzeug abfertigten. In ein paar Minuten wären sie wieder da. So war es dann auch. Ausgesprochen freundlich und gemütlich wurde ich wieder einklariert. Auf dem Rückweg überraschte mich zwischen zwei Häusern die örtliche Wildtierwelt in Form von Reh und Kitz. Ich habe gleich die Straße gesperrt, bis die beiden wieder im Unterholz verschwanden.

Irgendwie war Fußball WM und ich bekam davon nur am Rand etwas mit. Hier lag ich jetzt jedoch an einer Mooring, von der ich einen halbwegs stabilen WiFi Zugang zum öffentlichen Ortsnetz hatte. Das kleine Dekoderprogrämmchen auf dem Rechner installiert und ich konnte wenigstens das Spiel um Platz 3 und das Endspiel bei ARD und ZDF aus der ersten Reihe verfolgen. Schließlich zahle auch ich Rundfunkgebühren. Bevor ich den Rückweg nach Belfast antrete, musste noch ein größerer Einkauf erledigt werden. Diesmal nicht mit dem Rucksack, sondern mit der Rolltasche. Die Rollen hatten zwar nach dem letzten Materialtransport von Berlin schon etwas gelitten, aber das wird schon gehen. Hin, kein Problem. Zurück dann schon eher. Es ging vom Supermarkt erst einmal den Berg hinauf. Da lief die Tasche nur unrund. Auf der Hügelhöhe angekommen, lud ein Mann in einer offenen Toreinfahrt gerade diverse Säcke mit Eis aus dem Auto. Der sah mich da angezuckelt kommen und bot mir sofort an, wenn ich warten würde, bis er mit dem Eis im Haus wär, dann würde er mich fahren. Ein sehr nettes Angebot. Von jetzt ging es aber bergab und so weit war es bis zum Hafen mit meinem Dinghy auch nicht mehr. Ich dankte freundlich und lehnte ab. „You shure?“ „Yes, I am. Thank‘s a lot.“ Ein Fehler. Den kurz vor dem Steg mit dem Dinghy, brach der gesamte Großeinkauf (Biertransport) kläglich zusammen. Achsenbruch. Die Tasche war fertig. Wer billig kauft, kauft zwei Mal. Wieder mal richtig. Ich musste alles bis ins Dinghy ziehen und zerren. Da rollte nichts mehr. Aber es war damit wenigstens auf dem Schiff.

Am Morgen sah ich es schon aus der Koje durchs Decksluk, pottendichter Nebel. So konnte ich nicht los. Hoffen und Harren, dass die Sonne es noch schafft, das feuchte, neblige Grau zu heben. Am Mittag war es so weit. Gute Sicht. Springzeit. Es strudelte heftig aus der Bay of Fundy nach Eastport hinein. Sieben Knoten durchs Wasser, zwei Knoten über Grund, d.h. ein Flutstrom von 5 Knoten gegen an. Nicht schlecht. Einzig den mich begleitenden Delfinen und Robben machte das wohl Spaß. Die teilen sich hier das Revier, lassen sich aber nicht fotografieren. Nach zwei Stunden eine Kursänderung mit dem Strom. Jetzt ging es ordentlich voran, aber auch gleich in den Nebel. War anfangs die Sonne an der Mastspitze noch zu sehen, wurde es am Nachmittag immer dicker. Lt. Plotter an einer Tonne unter 70m. Als Brillenträger ist man da doppelt geschlagen. Man kann gar nicht so schnell wischen, wie die Wassertropfen die Brille wieder zusetzen. Heute schienen aber auch die Fischer im Hafen geblieben zu sein. Jedenfalls kam auf mein Getute nie eine Antwort. Ich schlich an meinen Ankerplatz. War am Abend das Ufer noch schemenhaft zu erkennen, so gab es den gesamten nächsten Tag gar nichts mehr zu sehen. Alles dicht milchig-grau und ohne Konturen. Dazu Totenstille. Tags drauf warf die Sonne mich aus der Koje. In den Bäumen hingen noch ein paar Nebelfetzen.

In Richtung See war Sommer. Es konnte weiter gehen. Mit der Rundung des Schoodic Point zurück von Ost nach West, sagt der Revierführer, hätte man den wilden Küstenteil Maines verlassen. Auf der Reise nach Osten war das umgekehrt zu bemerken. Ab hier, Richtung West, gibt es wieder mehr Orte und die Nebelhäufigkeit soll auch nachlassen. Dafür liegen die Lobsterbojen noch dichter. Zwischen Southwest Harbour und North Haven durchsegelte ich ein Traumrevier an einem Supersegltag. Ein Sommertag mit moderater Brise und ich kreuze zwischen den vielen, baumbestandenen Inseln. Idyllische Ankerbuchten reihen sich aneinander. Auf einer Granitinsel sonnt sich eine Kolonie Robben. Die Ospreys haben auch hier ihre Nester in den Fahrwassermarkierungen.

Der Ort Stonnington ist die Hauptstadt des Lobsterfangs in Maine. Das wird unterstrichen durch die Menge der im Hafen liegenden Fischerboote und die dicht an dicht liegenden Bojen der Körbe. Nur gut, dass ich segele. Denn, nicht immer gelingt es mir, den zwei zusammenhängenden Bojen eines Korbes auszuweichen, da bei Hochwasser die eigentliche Boje des Korbes unter Wasser ist und die Signalboje ein paar Meter daneben schwimmt. Die Verbindungsleine wird dann vom Kiel mitgenommen und zieht auch die Signalboje unter Wasser. Alles rutscht an Kiel und Ruderblatt entlang, bis es hinter dem Schiff wieder auftaucht. Mit drehender Schraube stiegen die Chancen auf den Hauptgewinn, den Lobsterkorb und den Propp zu bekommen.

 

Zwei solche Tage in Folge scheinen hier nicht möglich zu sein. Der morgentliche Blick aus dem Niedergang zeigt mal wieder dicken Nebel. Ich muss mich revidieren. Ich war einfach zu früh auf. Bis nach dem Frühstück hatte die Sonne den Nebel vertrieben und es wurde noch ein schöner Sommertag. Es herrschte nur Flaute. Ich beschloss daher, früher als geplant, nach Belfast zurückzukehren und damit die seglerische Runde an den Küsten Maines bis hinein nach Kanada zu beenden.

Ein tolles Revier, wenn man keinen Badeurlaub plant. Der immer wieder auftretende Nebel bremst einen öfter ein und ist unterwegs anstrengend. Es gibt hier keine Charterflotten. Der Einheimische segelt traditionsbewusst klassische Schiffe im S-Spant mit Überhängen an Bug und Heck. Im Gro bis zu 12m und fast alle mit Radar ausgerüstet. Daneben gibt es noch größere Clipper und gaffelgetakelte Schoner. Die segelnden Schuhkartons aus Europa, an Bug und Heck gerade, fehlen völlig. Eine Freude für das Auge. Zum Abschluss musste es dann noch in Young’s Lobster Pound ein frischer Lobster sein.