Montag, um 08.30 Uhr hatte ich den Krantermin.
„Bitte vorwärts in die Box.“
Die Truppe um den Vorarbeiter Fidel hat reichlich Erfahrung und agiert ausgesprochen souverän.
Tshotsholoza steht hoch und trocken.
Neben den netten und hilfsbereiten Leuten hat die Werft zwei entscheidende Vorteile; ich kann auf dem Schiff wohnen und selbst am Schiff arbeiten.
Eigentlich sollte das Schiff ja hier nur noch einmal kurz aus dem Wasser. Aus Sicherheitsgründen vor den langen Törns. Ich hatte aber auch irgendwie ein komisches Gefühl, da ich beim Segeln gesehen hatte, dass die Mittenmarkierung auf den Ruderrad, ein türkischer Bund, deutlich zu sehr aus der Mitte war. Da stimmte die Ruderlage nicht mehr. Auch waren am Ruder größere Flächen an Bewuchs zu sehen.
Nach dem Kärchern stellte sich heraus, dass es gar kein Lebewesen auf dem Rumpf gab. Nicht eine müde Pocke. Die dunklen Flächen auf dem Ruderblatt stellten sich als abgelöster Spachtel heraus. Viel schlimmer jedoch, dass sich deutliche Risse im Übergang von Ruderschaft zu Ruderblatt zeigten. Das war das Laminat gerissen. Ohne eine Grundberührung bleibt da nur eine heftige Welle als Erklärung. Die hatten wir sowohl schon im englischen Kanal, als auch vor Gran Canaria. In beiden Situationen hat es mir wiederholt das Ruder aus der Hand gerissen.
Nach dem Aufflexen der Stellen, war klar, das mache ich nicht selbst. Die Fachfrau der Werft muss ran. Ist sie dann auch.
Dazu musste das Ruderblatt ausgebaut werden. Mache ich auch nicht jeden Tag, um nicht zu sagen, eigentlich noch nie. Wobei die Erfahrung zeigt, raus geht immer, schwieriger ist wieder zusammenzubauen.
Ich habe anschließend das gesamte Ruder von Spachtel befreit. Ich verstehe sowieso nicht, warum der gesamte Rumpf gespachtelt wurde. Der löst sich inzwischen Stück für Stück ab. Darunter kommt der blaue Rumpf zum Vorschein. Da jetzt aber nicht die Zeit ist, den gesamten Rumpf neu aufzubauen, blieb es beim Ruderblatt. Spachtel runter, Schleifen, Epoxy, Primer, Antifouling. Dann das ganze Ruder wieder rein.
Dazu hatte ich mir eine kleine Talje angeschlagen, um das Ding zu liften. Der britische Nachbar half, den richtigen Winkel zu treffen. Bolzen durch, sitzt. So dachte ich. Der sportliche Teil kann erst noch. Ein Mensch, 182 cm groß, nicht mehr der Jüngste, daher mindestens mit Bauchansatz, wenn nicht mehr, versucht in der Backskiste, in der Größe einer Hundehütte für einen Spitz, einen zweiteiligen Ruderquadranten auf einen Ruderschaft zu montieren. Schlangenmensch ähnlich Eigenschaften helfen enorm. Klaustrophobische Zustände werfen einen ganz weit zurück. Drei Hände wären hilfreich, klemmen einen aber weiter fest. Auch die Schraubenschlüssel sollten nicht unerreichbar in der Bilge verschwinden, wenn man sich gerade in Position gewunden hat. Es ging nicht ohne Hilfskonstruktionen, um die 20 kg Quadrant in Position zu bringen und zu halten. Ich kam schlanker aus der Kiste, als ich sie bestiegen hatte. Aber, bitte nicht noch einmal. Die Nummer dauerte fast einen Tag, obwohl von außen nichts als Ergebnis zu sehen war, als ein Ruder, das am Rumpf sitzt.
Früh um 8 Uhr Stand ich in der Ferreteria in Arrecife, um mir weiteres Material für das Schiff zu besorgen. Wenn es schon aus dem Wasser ist kann auch noch eine Lage Antifouling rauf und vielleicht lässt sich der Rumpf auch noch polieren. Wen treffe ich, den Vorarbeiter der Werft, beim Materialeinkauf. Das Gespräch ergab gleich Tipps fürs Poliermittel und 10 Prozent Rabatt beim Einkauf. Trotzdem, alles Inselpreise. Deutlich höher, als vergleichbar in Deutschland.
Zum Wochenende war das Unterwasserschiff frisch gestrichen. Blieb der Rumpf.
Auf der Werft gibt es einen elektrischen Hubwagen, den ich zur Verfügung bekam. Da musste ich nicht wieder in fünf Meter Höhe auf einer Leiter agieren, sondern hatte eine sichere Bühne. Dann wurde es filmreif, à la Cocodile Dundee. Fidel fragte mich, ob auch eine Maschine hätte. Ich holte meine Poliermaschine vom Schiff. „ Das ist ein Messer?! Das ist eine Maschine!!!“ Er holte die fette Poliermaschine der Werft und gab sie mir. Dann kletterte er auf den Hubwagen, setzte Poliermittel und Maschine an und wenig später erstrahlte ein Quadratmeter Rumpf im neuen Glanz.
Ich war beindruckt und begeistert und ins Wochenende entlassen. Ich stellte erst einmal meine Maschine zum Werftschrott.
Das volle Wochenende, jeweils acht Stunden brauchte ich für den gesamten Rumpf. Polieren und wachsen. Immer schön mit der schweren Poliermaschine hin und her, auf und ab.
Inzwischen habe ich Anfragen für Conan, der Barbar Teil 2, da Schwarzenegger bei den Republikanern alt wird und meine Brustmuskulatur sehr akzentuiert ausgeprägt ist. Ich war echt platt. Dafür sieht der Rumpf aus, wie neu.
Mal sehen, wie lange das hält.
Jedenfalls konnte ich bei den Werftjungs schwer Eindruck schinden, als es wieder ins Wasser ging.
Eine Woche bin ich auf der Werft zwischen den verschiedenen Baustellen am Schiff hin und her gerannt. Die Leiter rauf und runter. Immer schön mit Logik, da eine Arbeit erst trocknen musste, Spachtel, Farbe, bevor es da weitergehen konnte. Da konnte inzwischen z.B. die Kette markiert werden. Der britische Nachbar meinte: „You working a lot and fast. German engineering:“
That’s it!
Es ist aber nicht so, dass es das dann war und ein bisschen relaxen angesagt ist.
Da es am neuen Großsegel noch an den Reffs einiges nachzuarbeiten gibt und auch ein paar Segellatten zu weich sind, hat der deutsche Segelmacher ein Paket zusammengestellt und es per UPS auf den Weg gebracht. Ich habe die Segel abgebaut und zum örtlichen Segelmacher geschleppt.
Dann schlug die Bürokratie zu.
Die Lieferung hing lt. UPS Tracker in Madrid fest. UPS wird sich melden. Taten sie aber nicht. Spanische Servicenummer eine Katastrophe. Erst die nette Damen der Werft konnte sich auf Spanisch durchfragen und meine benötigte Steuernummer für den Zoll übermitteln. Nur, das Paket bewegte sich keinen Meter. Wieder nachfragen. Jetzt fehlte eine Kopie meiner Ausweispapiere.
Ob und wann sich das Paket wieder bewegen wird ist weiter unklar.
Klar ist jedoch, dass es für den anstehenden Törn zu spät kommt.
Also schleppe ich die Segel vom Segelmacher wieder zurück und schlage sie auch gleich wieder an.
Zwischenzeitlich erfahre ich aus Berlin, dass sich in meinem Briefkasten eine Abrechnung der Nebenkosten der Wohnung, gefolgt von einer Mietererhöhung eingefunden haben. Aus negativen Erfahrungen heraus, sollte beides zur Prüfung zum Mieterverein. Da strapaziere ich schon die Nerven der Berliner Briefkastenüberwachung. Die kontert mit der Frage, ob es nicht auch etwas gibt, was mich z.Zt. erfreut. Das wäre dann der strahlende Rumpf. Allerdings gleich gepaart mit der Befürchtung damit nun noch pingeliger zu sein, als bisher, in dem Wissen, wie viel Arbeit da drin steckt.
Ein Lichtblick ist der amerikanische Chef u.a. des Metallbaus vor Ort, Wes. Den hatte ich wegen der Biminis schon von Lagos aus angefragt. Ich sollte erst einmal da sein. Dann findet sich das. Es fand sich in so weit, dass es nicht geht. Ausgelastet und Zeit für die Bezüge nicht ausreichend. Soweit die Info, nachdem alles vermessen war. Ich fragte, ob er denn nicht wenigstens das Gestänge fertigen könne. Ein nachdenkliches Gesicht blieb.
Heute Morgen stand er jedoch mit einem ehemaligen Angestellten von ihm am Schiff. Der hat jetzt eine eigene Firma. Den hatte er von der Insel geholt. Alles wurde noch einmal besprochen und vermessen. Der fertigt jetzt während der Törnabwesenheit die Gestänge. Die werden dann nach meiner Rückkehr angepasst und montiert. Das wäre dann der erste Schritt zu den Biminis.
Damit kann man unterwegs improvisieren und sehen, ob sich in der Karibik ein bezahlbarer Segelmacher für die Bezüge findet.
Zum Ende des Törns wird hoffentlich auch das Paket hier auftauchen. Dann heißt es noch einmal Segel schleppen und alles wird gut.